Geschichte zum Wallersee
„Vor einiger Zeit ging durch die Illustrierten, denen der moderne Mensch den Hauptanteil seines Wissens verdankt, die Geschichte einer Jungfernzeugung. In England hatte eine Frau ein Kind bekommen, ohne je mit einem Mann in Berührung gekommen zu sein. Ganz von selbst; auch eine künstliche Befruchtung hatte nicht stattgefunden. Diese Geschichte erregte die Gemüter sehr und von der Hysterikerin bis zur impertinenten Lügnerin blieb der Tochter Albions keine Injurie erspart. Nur Freudenreich, der sich in der erregten Gesellschaft befand, blieb ruhig. „Das gibt’s“, sagte er, „so ein Fall ist mir auch schon vorgekommen. Da hatte ein Mädchen aus Fischtaging am Wallersee ein Kind bekommen. Die Berufsvormundschaft schickte sie zum Bezirksgericht, weil aus ihr nichts Gescheites herauszukriegen sei. Ich habe dann das Fräulein aus Fischtaging nach den näheren Umständen befragt und mich nach dem Vater erkundigt. „I hab mit an Mannsbild nia nix z’tuan ghabt“ war die Antwort. Liebevoll mache ich sie darauf auf das Unwahrscheinliche ihrer Angaben aufmerksam und fragte sie, wie sie sich denn das Entstehen des Kindleins vorstelle. „I kann ma des nur a so erklär’n: Im vorigen Sommer hab i mi abends im Wallersee badt, weil’s so schwül g’wesn is, vorher ham a paar Mannsbilder im See ummapritschlt und da denk i ma halt, dass ma bei der Gelegenheit was passiert is. Bei de Fisch gibt’s ja sowas auch“. Ja, sagte ich, möglich ist alles, wenn Sie aus Fischtaging sind, gehns vielleicht wirklich mit die Fisch. Der Schriftführer war ganz empört und sagte: „So eine Unverfrorenheit von der Person. Wen soll ich jetzt als Vater eintragen?“ Herr Kollega, schreibens einfach hin: Vater: Der Wallersee.“
Aus: Julius Poth: Bezirksrichter Freudenreich. Heiteres von Schuldigen, Unschuldigen und Ganz-Unschuldigen.