Der Zwerg abseits des Menschen


Abseits der Menschen wohnt
in einem hohlen Baume
in einem großen Wald
am Rande der Berge
ein Zwerg, halb so groß wie eine frühgereifte
Kornähre.
Er lebt schon seit Ewigkeiten dort,
und kein Mensch weiß mehr von seinem Treiben.
Allein die Tiere seiner unschuldigen Umgebung kommen,
um sich Rat von ihm zu holen, und sie kommen
nicht vergeblich.

Er ist kein gewöhnlicher Zwerg, und wer das Gegenteil
behauptet, der weiß von sich selbst nur das Gewöhnlichste.
Der Zwerg in seinem hohlen Baume leidet nicht an Ein-
samkeit, denn er hat das Leben in seiner Fülle rund um
ihn herum erkannt!

Er trägt einen langgewachsenen Bart, der windet sich
bis zu den Fußspitzen. Gewöhnlich trägt der Bart eine
aschgraue Farbe, die sich aber rasch in rot verwandeln kann,
verlangt sein Herr nach seiner Erkenntnis.
Auch der Zwerg gehorcht einem Herrn, obgleich er einsam
wohnt. Doch der Herr ist kein gewöhnlicher Herr, und wer
das Gegenteil behauptet, der kennt nicht seinen eigenen Herrn.

Der Zwerg ist alt und weise: so sagt man,
aber kein Mensch sagt das!
Der Zwerg kennt den Tod und auch das Leben,
aber das macht für ihn keinen Unterschied, und wer das
Gegenteil behauptet, der kennt den Unterschied nicht!
Der Wald, in welchem der Zwerg wohnt, ist friedlich und
nährt sich von der Weisheit seines Zwerges.
Alle Tiere, die den Zwerg kennen, fürchten einander nicht
mehr, sie wissen um ihr Schicksal.
Und der Zwerg weiß um das Schicksal aller,
auch um das der Menschen.
Der Zwerg kennt keinen Menschen und doch ihr
gemeinsames Schicksal.
Dieser kleine Zwerg wohnt in seinem hohlen Baume um den
Tod der trübsinnig gewordenen Menschen zu verdienen.

Jeder Mensch war einst ein hohler Baum mit einem, bald grau,
bald rotbärtigen, Zwerg, halb so groß wie eine frühgereifte
Kornähre –
– und wer das Gegenteil behauptet, der hat seinen
Lebenssinn verloren!